Eine kleine Auswahl an Lyrik über die Handwerkskunst

 

 

Der Schreiner

Ihr alle braucht mich wie das liebe Brot.
Wo ihr auch wohnen mögt, in armen Hütten,
in stolzen Häusern, ob euch Not bedroht,
die Tage euch im Überfluß beschütten:
Ihr braucht mich von Geburt an bis zum Tod.

Du lagst bereits vom ersten Atemzug
in meiner Wiege, friedlich und behütet.
Bist du vom harten Tagewerk matt genug,
sinkst du in meine Bettstatt, und ermüdet
wirst du im Sarg ruhn, wenn dein Stündlein schlug.

Um meinen Tisch sitzt ihr zu Mahl und Rast
auf meinen hohen Sesseln und den Bänken,
tauscht gute Reden oder schweigt und laßt
euch mit der Frucht des Heimatgrunds beschenken
und dankt und betet und vergeßt die Hast.

Du, Mutter birgst in meinem weiten schrank
das Werk- und Festgewand, die Winterschuhe,
in meinem Küchenkasten Speis und Trank,
häufst Garn und weißes Linnen in die Truhe
und scheuerst meinen Schlüsselrahmen blank.

Die Mühsal meiner Arbeit wißt ihr kaum.
Was tuts? Ich schaff euch hölzerne Gefährten.
Mit Hausrat füll ich euren Lebensraum,
und geht ihr einst vom Taglicht ein zur Erden,
umhüll ich euch noch mit dem Totenbaum.

(Johannes Linke)


Meister Anton Pilgram
Selbstbildnis unter der Kanzel im Stephansdom zu Wien

Dem HERRN zum Preis, mir selb zum Ehr,
schau ich aus meiner Luken her.
Halt noch den Zirkel in der Hand,
darmit ich gfunden Bug und Kant,
als da ich hab voll Zier und Pracht
die Trepp und Kanzel hie gemacht
mit allem Fleiß und auch Gelück,
recht als ein redlichs Meisterstück.
Möget mein Sach mit Gunst besehn:
Die Kunst mueß durch das Handwerk gehn!
Dem Geist, er sei die Zügel führ,
auf daß der Stein, sonst nit gewillt,
sich füg in ein erleucht Gebild,
das angeblickt ohn Zorn und Hast

den ewigen Odem merken laßt.
Mit Reden ist ni viel getan,
wäg jeder Meister, was er kann,
und druck sich, wie ich selb in Stein,
getreulich den fern Zeiten ein.
Darinne macht er offenbar
die Weile, so die seine war,
dem spaten Nachfahr, arm und reich,
zu Nutz und mannichem Vergleich.
Der siehet mit getröstem Blick
auf dieser Zeite Werk zurück
und schaffest sub auspicio
aeternitatis ebenso.
Sich selb zu Ehr, dem HERRN zum Preis,
so wahr ich Meister Pilgram heiß.

(Josef Weinheber)
 
 


Unter allen Architekturteilen ist die Treppe

zweifelsohne für das Gebäude das,
was die Adern,Arterien und Venen
im menschlichen Körper sind.
Wie diese das Blut in alle Glieder Bringen,
so sind jene, ähnlich kunstvoll
und verzweigt angelegt, zur Kommunikation
notwendig.
Im übertragenen Sinne stellt die Treppe das Herz eines Gebäudes dar,
das dieses mit Leben erfüllt.
( Vincenzo Soamozzi 1552-1616)